Traumafolgestörungen (PTBS) bei Kindern und Jugendlichen
- Bilonda Bukasa
- 19. März
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. März
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) betrifft nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder, die aufgrund ihrer noch nicht ausgereiften Gehirne besonders anfällig für die langfristigen Folgen von Trauma sind. Kinder haben eine geringere Stressresilienz, können Ereignisse schwerer einordnen und sind oft von traumatisierten Bezugspersonen abhängig. Langfristige Auswirkungen umfassen physische (z.B. Schlafstörungen) und psychische Symptome (z.B. Angststörungen) sowie dissoziative Erscheinungen (z.B. Amnesie). Im Vergleich zu Erwachsenen hat Trauma bei Kindern gravierende Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung. Frühzeitige Interventionen sind entscheidend, um langfristige Schäden zu vermeiden und das Wohl der Kinder zu fördern.

Langfristige Folgen und Unterschiede zu Erwachsenen
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind nicht nur ein Thema für Erwachsene – gerade Kinder und Jugendliche sind besonders anfällig für die langfristigen Auswirkungen von Traumata. Ihr unreifes Gehirn macht sie verletzlicher für psychische und körperliche Folgestörungen (Nicols, 2022). Doch welche spezifischen Faktoren spielen hier eine Rolle, und wie unterscheiden sich die Symptome von denen Erwachsener?
Ein Experiment
Eine Studie von Schaan et al. (2019) mit 66 jungen Erwachsenen aus Luxemburg und Deutschland untersuchte den Einfluss frühkindlicher Traumata auf die interozeptive Genauigkeit (IAc), also die Fähigkeit, innere körperliche Signale wie den eigenen Herzschlag wahrzunehmen, unter Stress. Die Teilnehmer hielten ihre Hand in ein kaltes Wasserbad, während physiologische Reaktionen (Herzfrequenz, Cortisolspiegel) und interozeptive Wahrnehmung (Herzschlagzählung) gemessen wurden. Ergebnisse zeigten, dass stärkere Kindheitstraumata mit einer geringeren IAc korrelierten – Betroffene hatten nach dem Stressor mehr Schwierigkeiten, ihren Herzschlag wahrzunehmen. Dies betraf jedoch nicht die physiologischen Reaktionen, was auf eine spezifische Beeinträchtigung der Körperwahrnehmung hindeutet (Schaan et al., 2019, S. 6).
Was macht die jungen Jahre besonders verletzlich?
Kinder und Jugendliche haben eine andere Stressverarbeitung als Erwachsene. Besonders problematisch ist:
Die Grundlagen, wie ein Mensch in der Umwelt agiert, werden in den ersten drei Jahren gelegt durch das komplexe sozial-emotionale neuronale Netzwerk gebildet
Unreifes Stressbewältigungssystem: Kinder haben noch keine stabilen Strategien zur Stressregulation entwickelt.
Fehlende Erfahrung zur Einordnung von Ereignissen: Sie können Erlebtes schlechter in einen Kontext setzen.
Geringes Vertrauen in eigene Bewältigungsfähigkeiten: Sie fühlen sich schneller überfordert und ausgeliefert.
Abhängigkeit von Bezugspersonen: Wenn diese selbst belastet sind oder traumatisierend wirken, verstärkt sich das Problem.
Sprachliche Begrenzung: Besonders junge Kinder können ihre Erlebnisse oft nicht verbal ausdrücken, was die Verarbeitung erschwert.
Langfristige physiologische und psychologische Folgen
Chronische Traumatisierung kann tiefgreifende Veränderungen auf körperlicher und psychischer Ebene nach sich ziehen:
Körperliche Symptome
Dysfunktion der HPA-Achse: Ungleichgewicht der Stresshormone (Hyper-/Hypokortisolismus)
Neuroinflammation: Chronische Entzündungsprozesse im Gehirn
Gestörte autonome Regulation: Dominanz des Sympathikus („Dauerstressmodus“)
Erhöhtes Risiko für Autoimmun- und Herzerkrankungen
Bettnässen, Schlafstörungen, Essstörungen und erhöhte Schreckhaftigkeit, um nur einige zu nennen
Psychische Symptome
Affektregulationsstörungen: Schwierigkeiten, Emotionen zu steuern
Sozialer Rückzug und Beziehungsprobleme
Angststörungen und depressive Verstimmungen
Entwicklungsverzögerungen (z. B. beim Lernen)
Erhöhtes Risikoverhalten im Jugendalter (z. B. Drogenmissbrauch, riskantes Sexualverhalten)
Dissoziative Symptome
Dissoziation ist ein psychologischer Abwehrmechanismus, bei dem eine Person bestimmte Gedanken, Gefühle, Erinnerungen oder sogar ihr Bewusstsein von der aktuellen Realität abspaltet. Sie tritt häufig als Reaktion auf traumatische oder überwältigende Erlebnisse auf und kann verschiedene Formen annehmen, von kurzen Momenten der Abwesenheit bis hin zu schweren dissoziativen Störungen.
Traumatisierte Kinder zeigen häufig:
Amnesien und Erinnerungslücken
Depersonalisierung (sich selbst als fremd wahrnehmen)
Derealisation (die Umwelt als unwirklich erleben)
Dissoziative Körperphänomene wie Bewegungsblockaden oder vorübergehender Sinnesverlust
Diese Symptome führen oft zu Fehldiagnosen wie ADHS, Legasthenie oder Lernbehinderungen (Hanswille & Kissenbeck, 2008).
Unterschiede zwischen PTBS bei Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen
Ein zentraler Unterschied ist, dass Traumata in der Kindheit die neuronale Entwicklung tiefgreifend beeinflussen. Laut Schore (2001) ist besonders die rechte Gehirnhälfte betroffen, die für Stressregulation zuständig ist. Dies erhöht die Anfälligkeit für spätere psychische und neurologische Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie, Parkinson oder Alzheimer.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Bindungsdesorganisation: Wenn die Bezugsperson gleichzeitig Schutz und Bedrohung darstellt, kommt es zu einer tiefen inneren Zerrissenheit. Dies kann langfristig zu Persönlichkeitsstörungen und schweren Traumafolgestörungen führen (van der Kolk et al., 2005).

Therapeutische Chancen und Fazit
Obwohl die Langzeitfolgen gravierend sein können, ist die Kindheit und Adoleszenz auch eine Phase hoher Plastizität – frühe Interventionen sind entscheidend. Traumatherapien für Kinder sollten nicht nur die individuelle Verarbeitung fördern, sondern auch Bindung, soziale Unterstützung und neurobiologische Erkenntnisse einbeziehen.
Das klassische transaktionale Bewältigungsmodell von Lazarus und Folkman (1984) bleibt dabei eine wertvolle Basis, muss aber durch neurobiologische und kulturelle Perspektiven ergänzt werden.
Das Grundmodell besagt, dass die Bewältigung eines Traumas und die Heilung der Traumafolgestörungen von der traumatischen Situation, dem Individuum und vom Umfeld/Kontext abhängen.

Was kann helfen? Wie kann ich helfen?
Die körperpsychologische Arbeit, die mit dem Individuum möglich ist, beginnt an der Body-Mind-Schnittstelle. Die Intervention, Therapie und Heilung besteht darin die neurobiologische Situation zu verändern.
Der Body-Mind ist eine mächtige Einflussgröße auf die psychische und physische Gesundheit.
Die Gesellschaft können wir Therapeuten nur verändern, wenn wir dem Einzelnen helfen, seine Heilung und Zufriedenheit zu erreichen. Der Body-Mind ist eine mächtige Einflussgröße auf die psychische und physische Gesundheit. Bottom-up-Interventionen sind solche, die vom Körper ausgehen. Über den Körper, die Körperwahrnehmung und die Körper-Selbstregulation können neue Einstellungen, Ansichten, Bewertungen und Entscheidungen getroffen werden. Diese wiederum bewirken, dass sich der Mensch ermächtigter fühlt und es auch wird.
Basierend auf dem erweiterten interaktionalen Modell können präventive, intervenierende und integrative körperzentrierte psychologische sowie körperpsychotherapeutische Methoden effektiv zur Behandlung von Traumafolgestörungen eingesetzt werden.
Erfahrungen und Studien zeigen, dass die Verarbeitung von Traumata durch körperzentrierte Ansätze besonders wirksam ist, weil der Körper das Trauma speichert und das Gehirn neue Verschaltungen bilden muss. Dies wird durch das Gefühl von psychologischer und seelischer Sicherheit, körperliche Entspannung und eine Reduktion von Entzündungen angestoßen.

Ich freue mich weiters, dass Dr. Boshra Varastengani nun Teil meines Netzwerks ist. Sie ist Expertin für Nutrigenetik und funktionelle Medizin – ein innovativer Bereich, der personalisierte medizinische Ernährungsempfehlungen auf Basis von DNA-Analysen bietet. In Kombination mit funktioneller Medizin ergibt sich ein individuell ausgerichteter, ganzheitlicher Ansatz zur Gesundheitsversorgung. Anstatt nur Symptome zu behandeln, werden die Ursachen von Erkrankungen identifiziert und gezielt adressiert. Gene sind unsere Anlage, doch über die Kenntnis der Zusammensetzung kann die genetische Anlage im Falle eine Problematik früh erkannt als auch durch Ernährungszugaben ausgeglichen werden.
Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder anhaltende depressive Verstimmungen können mit diesem Ansatz effektiv begleitet werden. Als wertvolle Ergänzung zur körperpsychologischen Behandlung bildet eine gezielte Ernährungssteuerung eine stabile Grundlage für sowohl physische als auch psychische Gesundheit.
Inspirierende Grüße,

MSc. Körperpsychologie und Körperpsychotherapie i.e. (London)
Referenzen:
Brückl, T. M., & Binder, E. B. (2017). Folgen früher Traumatisierung aus neurobiologischer Sicht. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 11(2), 118–132. https://doi.org/10.1007/s11757-017-0412-9
Council of the European Union. (2021). Mental health and well-being in the EU.Available at: https://www.consilium.europa.eu/en/policies/mental-health/
D'Andrea, W., Ford, J., Stolbach, B., Spinazzola, J., & van der Kolk, B. A. (2012). Understanding interpersonal trauma in children: Why we need a developmentally appropriate trauma diagnosis. American Journal of Orthopsychiatry, 82(2), 187–200. https://doi.org/10.1111/j.1939-0025.2012.01154.x
Hanswille, R., & Kissenbeck, A. (2008). Systemische Traumatherapie. Konzepte und Methoden für die Praxis.
National Library of Medicine. (2021). The global burden of mental health disorders: Economic implications. PMC.Available at: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9525140/
Nichols, M. (2022). Effects of Nurture versus Trauma on Infant and Early Childhood Psychological and Social Development. BU Journal of Graduate Studies in Education, 14. https://eric.ed.gov/?id=EJ1397717
Schore, A. N. (2001). The effects of early relational trauma on right brain development, affect regulation, and infant mental health. Infant Mental Health Journal, 22(1–2), 201–269.
Schaan, V. K., Schulz, A., Rubel, J. A., Bernstein, M., Domes, G., Schächinger, H., & Vögele, C. (2019). Childhood trauma affects stress-related interoceptive accuracy. Frontiers in Psychiatry, 10, 750-750. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2019.00750
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